Samstag, 14. Oktober 2017

Über das Vergessen

Als ich gerade ein altes Chatlog aus dem Jahre 2013 durchgelesen habe, wurde mir erst bewusst, wie viel man in einem Leben vergessen kann, wenn die Personen, die mit diesen Erinnerungen verknüpft sind, für einen an Bedeutung verlieren und dadurch verblassen.

Lediglich einige Highlights in unserer 6 Jahre währenden Bekanntschaft sind mir noch im Kopf geblieben.

- Wie wir uns kennenlernten
- Unsere vielen Insiderwitze
- Wann wir uns das erste mal stritten
- Woran diese Person erkrankte
- Was wir taten, als wir uns wiedersahen
- Warum wir einander entschwinden ließen

Und mit diesem Vorwissen traute ich mich an Chats heran, die vier Jahre zurückliegen. Die ganz unten im Protokoll immer kürzer werden, doch nach obenhin strebend an Länge und Emotion gewinnen.
Es liest sich wie eine typische pubertierende Freundschaft zwischen Junge und Mädchen, die sich alle paar Tage ihr Leid klagen.

Doch geht es hier ums Vergessen, nicht ums Erinnern, darum nun die Liste mit Dingen, die ich vergessen habe.

- Wie wichtig wir einander waren.
- Dass wir immer wieder stundenlang telefonierten.
- Wie abweisend ich sein konnte.
- Wie ich Hilfeschreie übersah.
- Wie mich Kleinigkeiten aufregten.
- Dass wir einander nicht einfach nur aus den Augen verloren, sondern ich sie von mir wegschob.
- Warum wir einander brauchten.
- Warum wir nicht füreinander da sein konnten.

Es war mir tatsächlich zusätzlich aus den Erinnerungen entschwunden, was für ein unangenehmer Mensch ich zur Zeit meiner Depression zu sein schien. Ich hatte wohl mit mir selbst zu tun und konnte deshalb nicht auch für sie da sein.

Ich könnte wohl noch einige Entschuldigungen oder Rechtfertigungsversuche anbringen, um mein Vergessen eines Großteils unserer Beziehung zu erklären, etwa dass wir beide immer betrunken waren, wenn wir miteinander sprachen, weswegen dies wohl in meiner Erinnerung verblassen musste.
Dass zu dieser Zeit unheimlich viel los war.
Dass sie ja schließlich auch zugesehen hat, wie unsere Freundschaft den Bach runtergeht.

Aber ich glaube, letzteres hat sie nie getan, sondern war es wohl einfach nur leid, sich wieder und wieder von mir verletzen zu lassen.

Vielleicht wird mir nun wieder all das etwas bewusster sein. Es lässt mich jedenfalls unsere damalige Freundschaft mit anderen Augen sehen.


Jasper

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