Es ist 8 Uhr morgens an einem
Oktobertag im Jahre 2012, es ist kühl und der Wind pfeift mir
entgegen, dringt durch meine viel zu dünne Sweatjacke, lässt mich
frösteln und ruiniert meine Frisur. Während manche Bäume noch ihre
grüne Blätterpracht tragen, hat der unbarmherzige Herbstwind
bereits das gelb-braune Laub von den Gewächsen gepustet und lässt
sie nackt aussehen, wie ein Gerippe. Auf dem Boden liegt das
zertretene, feuchte Laub, es muss nachts geregnet haben, immer wenn
ein Auto an mir vorbeifährt höre ich das Plätschern des Wassers,
das durch die Autoreifen aufgewirbelt wird. Der Himmel ist noch immer
wolkenverhangen, alles in allem ist alles grau in grau und nicht
einmal die grünen Bäume vermögen wirklich Farbe in die Landschaft
zu bringen. Alles wirkt traurig, alles stirbt, manches schneller,
manches langsamer. Aber alles stirbt in dieser Jahreszeit.
Ich hasse den Herbst. Während im
Winter alles von einer Schneeschicht bedeckt ist, die das Tote
versteckt und durch das reine, scheinheilige Weiß irgendwie schön
erscheinen lässt, liegt das Sterben der Natur nun vollkommen offen.
Ich fühle mich wie ein Baum.
Während ich durch diese traurige
Einöde gehe höre ich Musik, das Lied wechselt und das Riff von
„Wake me up, when September ends“ erklingt in meinen Ohren. Wurde
ich schon geweckt, oder bin auch ich noch in einem Traum gefangen,
aus dem ich einfach nicht ausbrechen kann? Und was für ein mieser
Traum ist das eigentlich? Ich wurde noch nicht geweckt. Ich träume
dahin, mein Leben spult sich ab wie ein Film ohne Handlung, ohne
Charakterentwicklung, mit einem niedrigen Budget gedreht, weil es
ohnehin keine Zielgruppe für solche Filme gibt. Und dennoch gibt es
einen Regisseur, der der Meinung ist, dieser Film sei unglaublich
kostbar und müsse endlich zu Ende gedreht werden.
Ich habe es eigentlich in der Hand,
schließlich kann ich einfach aussteigen, wo kein Schauspieler, da
kein Film. Oder irre ich mich? Würde der Film nicht einfach
weitergehen, an einem anderen Ort, vielleicht mit einer besseren
Story, besseren Gags, besserer Location? Wenn dieser Regisseur so auf
seinem Film besteht, wird er ihn sicher so oder so weiterdrehen, ich
werde also aus Trotz weiter die Hauptrolle spielen. Es wird ohnehin
keiner merken, was für ein mieser Schauspieler ich bin, schließlich
wird niemals jemand dieses armselige Stück Film“kunst“ zu sehen
bekommen.
Eigentlich schade, um all die
verschwendete Zeit, ich bekomme nicht mal eine ordentliche Gage.
Ausbeutung im höchsten Maße. Wer hat eigentlich für mich
entschieden, dass ich in diesem Film mitspiele? Ich kann mich nicht
erinnern, jemals einen Vertrag unterschrieben zu haben.
Vielleicht träume ich auch nicht. Fakt
ist, dass ich am Ende des Septembers nicht geweckt wurde, weder im
übertragenen, noch im wörtlichen Sinne. Das Lied ist vorbei, doch
das miese Gefühl bleibt.
Plötzlich spielt „Jetzt ist Sommer“.
Ich hasse die Shuffle-Funktion meines MP3-Players, selbst die will
mich verhöhnen. Diese fröhlichen Klänge passen einfach nicht zu
meiner Gemütslage und ich spiele kurz mit dem Gedanken, das meinem
kleinen musikalischen Begleiter zu sagen, käme mir dann aber doch zu
blöd vor.
Das Hoffen auf bessere Tage kommt mir
sinnlos vor. Während ich den A-Cappella-Klängen der Wise Guys
lausche, fegt ein Windstoß eine weitere Ladung Laub von den Bäumen,
ich blicke nach unten rechts, um meine Frisur vor dem Windstoß zu
retten und sehe deshalb gerade rechtzeitig den Hundehaufen, in den
ich beinahe getreten wäre.
„Es ist Sommer, egal ob man schwitzt
oder friert, Sommer ist, was in deinem Kopf passiert...“
Ich blicke nach oben und sehe einen
winzigen Spalt in der Wolkendecke, den der Windstoß verursacht hat
und durch den ein winzig kleiner Sonnenstrahl direkt in mein Gesicht
scheint.
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