Donnerstag, 25. Oktober 2012

Herbsttag

Es ist 8 Uhr morgens an einem Oktobertag im Jahre 2012, es ist kühl und der Wind pfeift mir entgegen, dringt durch meine viel zu dünne Sweatjacke, lässt mich frösteln und ruiniert meine Frisur. Während manche Bäume noch ihre grüne Blätterpracht tragen, hat der unbarmherzige Herbstwind bereits das gelb-braune Laub von den Gewächsen gepustet und lässt sie nackt aussehen, wie ein Gerippe. Auf dem Boden liegt das zertretene, feuchte Laub, es muss nachts geregnet haben, immer wenn ein Auto an mir vorbeifährt höre ich das Plätschern des Wassers, das durch die Autoreifen aufgewirbelt wird. Der Himmel ist noch immer wolkenverhangen, alles in allem ist alles grau in grau und nicht einmal die grünen Bäume vermögen wirklich Farbe in die Landschaft zu bringen. Alles wirkt traurig, alles stirbt, manches schneller, manches langsamer. Aber alles stirbt in dieser Jahreszeit.
Ich hasse den Herbst. Während im Winter alles von einer Schneeschicht bedeckt ist, die das Tote versteckt und durch das reine, scheinheilige Weiß irgendwie schön erscheinen lässt, liegt das Sterben der Natur nun vollkommen offen.
Ich fühle mich wie ein Baum.
Während ich durch diese traurige Einöde gehe höre ich Musik, das Lied wechselt und das Riff von „Wake me up, when September ends“ erklingt in meinen Ohren. Wurde ich schon geweckt, oder bin auch ich noch in einem Traum gefangen, aus dem ich einfach nicht ausbrechen kann? Und was für ein mieser Traum ist das eigentlich? Ich wurde noch nicht geweckt. Ich träume dahin, mein Leben spult sich ab wie ein Film ohne Handlung, ohne Charakterentwicklung, mit einem niedrigen Budget gedreht, weil es ohnehin keine Zielgruppe für solche Filme gibt. Und dennoch gibt es einen Regisseur, der der Meinung ist, dieser Film sei unglaublich kostbar und müsse endlich zu Ende gedreht werden.
Ich habe es eigentlich in der Hand, schließlich kann ich einfach aussteigen, wo kein Schauspieler, da kein Film. Oder irre ich mich? Würde der Film nicht einfach weitergehen, an einem anderen Ort, vielleicht mit einer besseren Story, besseren Gags, besserer Location? Wenn dieser Regisseur so auf seinem Film besteht, wird er ihn sicher so oder so weiterdrehen, ich werde also aus Trotz weiter die Hauptrolle spielen. Es wird ohnehin keiner merken, was für ein mieser Schauspieler ich bin, schließlich wird niemals jemand dieses armselige Stück Film“kunst“ zu sehen bekommen.
Eigentlich schade, um all die verschwendete Zeit, ich bekomme nicht mal eine ordentliche Gage. Ausbeutung im höchsten Maße. Wer hat eigentlich für mich entschieden, dass ich in diesem Film mitspiele? Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen Vertrag unterschrieben zu haben.
Vielleicht träume ich auch nicht. Fakt ist, dass ich am Ende des Septembers nicht geweckt wurde, weder im übertragenen, noch im wörtlichen Sinne. Das Lied ist vorbei, doch das miese Gefühl bleibt.
Plötzlich spielt „Jetzt ist Sommer“. Ich hasse die Shuffle-Funktion meines MP3-Players, selbst die will mich verhöhnen. Diese fröhlichen Klänge passen einfach nicht zu meiner Gemütslage und ich spiele kurz mit dem Gedanken, das meinem kleinen musikalischen Begleiter zu sagen, käme mir dann aber doch zu blöd vor.
Das Hoffen auf bessere Tage kommt mir sinnlos vor. Während ich den A-Cappella-Klängen der Wise Guys lausche, fegt ein Windstoß eine weitere Ladung Laub von den Bäumen, ich blicke nach unten rechts, um meine Frisur vor dem Windstoß zu retten und sehe deshalb gerade rechtzeitig den Hundehaufen, in den ich beinahe getreten wäre.
„Es ist Sommer, egal ob man schwitzt oder friert, Sommer ist, was in deinem Kopf passiert...“
Ich blicke nach oben und sehe einen winzigen Spalt in der Wolkendecke, den der Windstoß verursacht hat und durch den ein winzig kleiner Sonnenstrahl direkt in mein Gesicht scheint.

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